Roland VG-8

Gitarrenprozessor

Die Weltpremiere des VG-8 Gitarrensystems im Januar 95 auf der NAMM Show sorgte auch in der Fachwelt für verwirrtes Staunen. Immer wieder mußte während der Vorführung betont werden, daß es sich nicht um einen neuen Gitarrensynthesizer handelt, und doch klang das, was sich da aus den Lautsprechern auf die hörige Gemeinde ergoß, ganz genau so. Der abgedunkelte Roland Pavillon bot den passenden Rahmen für eine Zaubershow, in der gleich darauf vorgeführt wurde, wie man ohne Sägen, Bohren und ganz ohne Leim aus einer Strat eine Les Paul machen kann. Nur mit einer Gitarre von der Stange als Zauberstab und einem großen schwarzen Kasten bewaffnet beschwörte Hexenmeister und Cheferfinder Akira Iko Gitarrenlegenden und verblüffte mit einem Verwandlungstrick nach dem anderen. Mysteriöse Zauberformeln wie COSM, VGM und HRM flogen von der Vorführbühne in den Raum...

Was ist COSM ?

Keine Zauberformel, eher eine Rezeptur. Man nehme z.B. einen Gitarrensound, zerlege ihn in seine Elemente (Saitenschwingung, Pickup, Effekte, Verstärker, Lautsprecher, klangliche Umgebung, Mikrofonabnahme etc.), finde die geeigneten Mittel und Wege diese Elemente elektronisch zu ersetzen und setze diese einzelnen "Module" auf beliebige Weise wieder zusammen. Das ganze läuft in Rolandspeak unter dem Akronym COSM für: Composite Object Sound Modeling. Das Bindeglied zwischen Gitarre und dem VG-8 Prozessor ist ein GK 2 (A) Hex-Pickup. Das ganze sieht sehr verdächtig nach Gitarrensynthesizer aus und ist mitunter auch in der Lage so zu klingen, basiert jedoch auf anderen Prinzipien. Durch den Hex-Pickup wird zunächst jede Saite einzeln abgenommen und vom VG-8 separat verarbeitet. Im Gegensatz zu einem Gitarrensynthesizer verwendet der VG-8 das Hex-Signal jedoch nicht als Auslöser von Samples und MIDI Ereignissen, sondern bearbeitet das komplette (!) Audiosignal an sich. Die dabei intern verwendeten Algorithmen ("Verarbeitungsprogramme") werden von Roland ihrem individuellen (Klang-) Charakter entsprechend als "Instrumente" terminiert. Instrumente können zu einer von zwei Gruppen gehören: "Variable Guitar Modeling" (VGM) oder "Harmonic Restructure Modeling" (HRM). Auf ans Vokabeln lernen...

Variable Guitar Modeling (VGM)

Das VG im Namen könnte theoretisch auch für Virtuelle Gitarre stehen. VGM "modelliert" alle Komponenten die traditionell einen Gitarrensound ausmachen. Der GK2 ersetzt de facto alle Pickups der Gitarre. Die Algorithmen des VG-8 erledigen den Rest, für alles was am anderen Ende der Gitarre noch so hängen könnte. VGM Patches bedienen sich jeweils eines von vier "Instrumenten": Amp Monaural, Amp Polyphonic, Pedal & Amp und Pedal Stereo. Man kann sich diese Instrumente als "Setups" vorstellen, die bestimmen wie die einzelnen Gitarrensaitensignale verarbeitet werden (getrennt/gebündelt/beides...) bzw. welche Parameter/Features zur Verfügung stehen. "Amp Monaural" verarbeitet die Saiten nach dem Pitchshifting als Summe und entspricht so der Art wie seit gut fünzig Jahren Gitarre verstärkt wird - Sechs Saiten über Monokabel ab in den Verstärker. Viele der "Vintage" VG-8 Sounds (wie "Elvis Presley", "How High The Moon", aber auch früher Carlos Santana mit "Black Magic", junger Jeff Beck, Clapton mit den Bluesbreakers etc.) bedienen sich dieser Konfiguration. "Amp Poly" setzt für jede Saite noch einen Verstärker dazu. Das Lautstärkeverhältnis von gebündeltem und sechsfach einzeln verstärktem Signal wird von einem sogenannten Polyphonic Manager geregelt. "Pedal & Amp" simuliert den klassischen Aufbau Gitarre - Fußpedal - Verstärker nur mit dem Unterschied, daß jede Saite ihr eigenes Pedal hat ! Klassische Rocksounds, wie man sie von Deep Purple kennt, und eine ganze Reihe von Jimi Hendrix Patches nutzen dieses Instrument. Auch hier mischt wieder der Polyphonic Manager mit und regelt das Verhältnis von gebündelter und hexaphonischer Verzerrung. Der Mix geht dann in die Amp Simulation. "Pedal ST" ist als Stereoinstrument konzipiert und ermöglicht die gezielte Plazierung einzelner Saiten im Stereofeld. Im Austausch für "Hex-Pan" verzichtet dieses Instrument dafür auf die Amp Simulation.

VGM Parameter

Jedes Instrument hat seine eigene Kollektion von programmierbaren Parametern. Die "Pickup" Auswahl ist für alle die gleiche. Zur Verfügung stehen: LP (zwei passive double-coil) - eine Les Paul Simulation, CLA-ST ( drei single-coil - passiv) - die klassische Stratocasterkonfiguration und MOD-ST l -die moderne Strat-Variante mit aktiven Pickups. Wem das noch nicht genügt, der kann sich über VARI sogar seine eigene Gitarre bauen. Bis zu zwei Pickups (single-coil, double coil und piezo) kann man kombinieren, und als ob das nicht schon hinreichend spektakulär wäre, lassen sich sogar Pickup Position und Winkel zu den Saiten verschieben. Selbst physisch unmögliche Installationen (Pickup auf dem Griffbrett oder über die ganze Gitarre verteilte Polepieces (Magnetstifte?)) sind im VG-8 zu bewerkstelligen. Pickups lassen sich in Phase und fast jede erdenkliche Kombination (Hals/Steg/Beide etc.) schalten und "Potis" für Ton und Lautstärke fehlen auch nicht. Der Pickupauswahl folgt die Sektion "Polyphonic Pitchshift". Mit diesem Feature steht der VG-8 konkurrenzlos da. Für jede Saite einzeln lassen sich hier Pitchshifts bis zu +- zwei Oktaven eingeben. Matrizen für einige der gängigsten Gitarrenstimmungen (Nashville, open G/D, dropped D, twelve string...) werden zur Anregung gleich mitgeliefert. Neben dem Intervall kann man obendrein (auch wiederum pro Saite !) Feinstimmung, Mischverhältnis und absolute Lautstärke (0-100%) einstellen. Der Parameter "Pedal" ist Patches mit "Pedal Amp" und "Pedal Stereo" Instrumenten vorbehalten und faßt fünf Simulationsalgorithmen für Bodeneffektgeräte zusammen, von denen man einen auswählen kann. Man hat die Wahl zwischen Off (kein Pedal), drei verschiedenen "klassischen" Verzerrer-boxen (Drive, DIST, Metal) einem Kompressor und einem Limiter. Jedes Pedal kommt mit entsprechenden, programmierbaren Subparametern ("Knöpfen"). Instrumente mit "Amp" im Namen können unter selbigem Menüpunkt auf verschiedene klassische Verstärkertypen zugreifen. Die Programme "American Tweed", "Classic Stack", "Studio Lead" und "Studio Rhythm" weisen wie ihre Vorbilder die entsprechenden Regler für Vor- und Endstufe,Treble, Middle, Bass, Bright, Presence etc. auf. In der Marshall Stack Simulation fehlt selbst ein Normal/Bright Channel Balanceregler nicht. Der bereits erwähnte "Polyphonic Manager" (alle Instrumente bis auf Amp Mono) regelt das Mischverhältnis von Poly/Monaural Distortion. Leademphasis korrigiert Lautstärkeunterschiede, die bei hexaphonischer Verzerrung zwischen Akkorden und einzeln gespielten Tönen auftreten würden. Sechs Verstärker sind eben in der Regel lauter als einer. "Panpot" erlaubt beliebige Saitenpositionierung im Stereospektrum - leider jedoch nur "Pedal Stereo" Instrumenten. "Speaker & Mike / Position" ist hingegen wieder allen Instrumenten zugänglich. Man kann zwischen folgenden Lautsprecherkabinetten wählen: Open 1x12, Classic 2x12 (open) und Classic Stack (mit 4 Lautsprechern). Wer den VG-8 an einen Gitarrenverstärker anschließen will, kann die Speakersimulation auch gezielt pro Patch oder global abschalten. Das virtuelle VG-8 Aufnahmestudio ist außerdem noch mit verschiedenen Mikrofontypen ausgestattet: Small/Large Dynamic und Kondensator. Mikrofone reagieren (ähnlich wie Menschen) unterschiedlich je nachdem wie sie angesprochen werden (direkt, von weitem oder von der Seite), dementsprechend kann man unter "Mic Position" auch noch zwischen On/Off/Angled wählen.Bevor der Sound dann tatsächlich in die weite Welt wandern darf, kann man ihn noch einem "Noise Suppressor" unterziehen, mit den Einstellungsmöglichkeiten Suppress on/off, Threshold (level) und Release (time)

Harmonic Restructure Modeling
(HRM)

HRM spielt mit dem harmonischen Gehalt eines Klangs in dem mit "Time-Variant Filters" (TVF) gearbeitet wird. Das Resultat sind Klänge, wie man sie sonst von Synthesizern und anderen Instrumenten her kennt. Aber auch ganz eigene Klänge sind möglich. Da das Original Gitarrensignal als ganzes verarbeitet (gefiltert) wird, ist HRM auch in der Lage auf feine Nuancen zu reagieren. Das Instrument Gitarre verliert nichts an seiner Expressivität - eher im Gegenteil. Folgende 13 HRM Instrumente stehen zur Verfügung: Bowed (prädestiniert für Streicherähnliche Sounds), Pipe (Flöte u.ä.) Solo (klingt mal wie Jan Hammer, dann wieder wie ein Bläser oder eine Violine...), Resonator (liefert u.a. ein vollkommen überzeugendes Banjo), Drawbar (Orgel u.ä.), Crystal ("DX 7 / Rhodes" Sounds), Filter-Bass (Sounds, wie man sie u.a. von den Cars kennt), PWM (Pulse Width Modulation) sowie die schwerer zu definierenden Synthesizern ähnelnden Instrumente Articulated, Synthetic, Dual, Cavity und Complex.

HRM Parameter

Je nach Instrument sind je 4 bis 6 Parameter veränderbar. Dazu gehören Filtereinstellungen wie Cutoff Frequency und Resonance, Hüllkurvenparameter wie Decay-Time, Attack Length und Attack Level oder Touchsensitivity und Dynamics.Für Pulse Width Modulation Programme lassen sich Rate/Depth sowie Modulation Depth und Tune regeln. Verspielt und exotisch muten Parameter wie Power Bend, Body Frequency, Sympathy, Sympathy Q (Sympathie-Quotient ?), Brilliance, Color, Glide Sensitivity (?) und Glide Time (?!!) an. Am besten "spielt" man mit ihnen um sie zu begreifen. Unter "Feet 4-8-16" im "Drawbar" Programm kann man sich dagegen sehr anschaulich die Oktavmanuale einer Orgel vorstellen. Der Parameter Outputlevel ist in allen HRM Algorithmen anzufinden. Wie schon VGM "Pedal Stereo" Instrumente verfügen HRM Instrumente (Ausnahme "Cavity") über einen Pan Pot für jede Saite. Pitchshifting steht HRM Patches leider nicht zur Verfügung. Es ist anzunehmen, daß diese Schaltkreise bei HRM bereits für die Klangsynthese benötigt werden.

Effekte

Auf der Effektseite wartet der VG-8 mit drei Modulen in fester Reihenfolge auf: Modulation, Delay und Reverb. Zu den Modulationseffekten gehören: Dim-Cho (eine Rekreation des Dimension D Chorus), Twin-Cho, St(ereo)-Cho, A(uto)-Phaser, M(anual)-Phaser und Tremolo. Abhängig vom Effektprogramm lassen sich Predelay, Depth, Rate, Level, Feedback, Phase, Resonance und Frequency einstellen. Hex-Pan erlaubt Rechts/Links Bewegung im Stereospektrum. Dieser Effekt steht allen HRM Instrumenten (bis auf "Cavity") zur Verfügung, jedoch nur "Pedal ST" Instrumenten im VGM Lager. Die Geschwindigkeit (Rate) ist wie bei allen LFO getriebenen VG-8 Effekten von 0,1 bis 20 Hz regelbar. An Delays werden Stereo, Panning und Cross-FB (Feedback) angeboten. Programmiert werden können Delaytime, Feedback, Level und, wo gegeben, Shift (Verzögerungsdifferenz zwischen rechts + links) und R/L Balance. Unter Reverb finden sich je 3 Room, Hallen, und Plateprogramme mit den Editierparametern High-Damp, Reverb-Time und Level. Zu den programmierfreundlichen Features des VG-8 gehört es, daß man die Parameter Rate und Time (wo immer sie in HRM und VGM Programmen auch auftauchen mögen) in Edit-Mode über die Function 5 Taste in Time eintippen und so beispielsweise Chorus-Geschwindigkeit und Delay-Time einem laufenden Song anpassen kann.

EQ/Vol

Hinter der Effektsektion liegt ein Dreiband Equalizer. Low-, Mid- und Hi-Gain lassen sich um +- 12dB heben oder senken und decken die Frequenzbereiche 50-503 Hz, 200-5079 Hz (mit Q Regler für die Bandbreite) sowie 1000-11986 Hz (mit Shelve/Peak Schalter) ab. Patchvolume regelt die Endlautstärke des Programms.

"In" und "Out"

Effektalgorithmen und Equalizer stehen allen VGM und HRM Instrumenten zur Verfügung, können jedoch nur vom Hexpickup angesteuert werden - nicht vom Original-Gitarrensignal (wenn man seit der Ankunft des VG-8 von "Original" überhaupt noch sprechen kann...). Positiv formuliert: Das "herkömmliche" Gitarrensignal kann man mittels eines Adapters (1/4" auf Miniklinke) gleich mit über GK 2 Kabel zum Guitar-Out des VG-8 führen. Der "Originalsound" bleibt dadurch von jedweder Elektronik unbeeinflußt und unverfärbt. Aux In L(Mono)/R sind als Effect Returns gedacht. Gleich daneben finden sich GK2(A) Pickupeingang, Mix Out L(Mono)/R, eine Stereo-kopfhörerbuchse sowie Anschlüsse für einen Fußschalter, ein Expression Pedal und ein Speicherkartenschlitz im Roland üblichen Format (PCMCIA). Übrigens lassen sich per Stereokabel über den einfachen Fußschaltereingang auch zwei unabhängig programmierbare Fußschalter anschliessen. Ein erweitertes Zubehörteil wie z.B. ein Roland FV 300 bietet dagegen die Möglichkeit "Original" Gitarren Volumen und VG-8 Lautstärke per Expressionport gleichzeitig von einem Pedal zu kontrollieren.

Bedienen & Programmieren

Das graphische Interface des VG-8 ist intuitiv und richtungsweisend. Sein LCD Sichtfenster ist mit 160 x 64 Bildpunkten vergleichsweise hoch definiert. Neben Text (Patchnames etc.) ist es in der Lage, wichtige Patchelemente als Bilder darzustellen. In einem Fenster wird Verstärkersimulation durch einen kleinen Amp symbolisiert, ein Fußpedal sieht so aus wie man es sich vorstellt und im nächsten Fenster hat ein Singlecoil Pickup eine andere Icon als ein Humbucker etc. . Sogar die "Potis" drehen sich beim Editieren. Bis zu sechs Elemente und ihre Parameter können von unter dem Sichtfenster befindlichen Tasten direkt angewählt werden. Auf einen Blick sieht man alles was zu einem Instrument/Objekt/Parameter dazugehört. Sollte eine Editierebene mehr als 6 Elemente haben, kann man sie mit der "Page" Taste vor und zurück "blättern". Effekte lassen sich im normalen Spielmodus auch direkt aus dem "Play" Fenster heraus an- und ausstellen."Programmieren" des VG-8 klingt fast schon zu anspruchsvoll und ist beinahe ein Kinderspiel. Vier festdefinierte Tasten für die Bereiche Common, Instrument, Effect und EQ/Vol erlauben schnellen Zugriff auf die entsprechenden Bereiche. Unter Common sind die Editierfenster für Patch Name, Patch MIDI und Pedal Function zusammengefasst. Die anderen drei wurden bereits erläutert. Die System Taste öffnet Fenster für die Kalibrierung auf den GK2 Driver (in mm oder inches), den Betrieb per Fußschalter, globale MIDI Einstellungen (Basic Channel/Bank/Device ID, Bulk Dump), einen globalen An/Aus Schalter für die Speaker Simulation, LCD Kontrast, Datentransfer mit einer Speicherkarte, internen Speicherplatztausch und ein digitales Stimmgerät. Für die Navigation steht auch ein Cursor mit vier Tasten zur Verfügung. Ein 25 stufiger Endlosdrehschalter erledigt die Dateneingabe. Der VG-8 erlaubt kein "von Grund auf" Programmieren, statt dessen greift man auf einen in etwa ähnlichen Sound und editiert diesen. Eine Compare-Taste erleichtert das Vergleichen von Ausgangs- und editiertem Sound. Die Copy Taste erlaubt sogar das Kopieren auch einzelner Patchparameter. Eine Write Taste speichert ab. Sollte man sich wirklich mal verlaufen haben, sorgt ein einziger Druck auf die "Play"Taste für Ordnung und Übersicht. Parameter können auch über einfache Kombinationen von Fußschalter, Expressionpedal und GK 2 freihändig ("No-Hands Editing") eingegeben werden. Aus dem PlayMode kann man mit gehaltenem S2 GK2 Taster und einen Tritt auf den Fußschalter Nr. 4 jederzeit das eingebaute Stimmgerät aktivieren, wobei die Ausgangslautstärke automatisch abgesenkt wird - ein kleines aber nützliches Detail! Die im gewohnten Rolandschema organisierten Patches kann man über 4 Fußschalter und Bank/Group up/down abrufen. Groups (User A - User B - Preset A- Preset B und falls vorhanden Card), jedoch keine Patches, lassen sich alternativ auch vom GK 2 aus wechseln. Die aktive Group wird durch einen Leuchtpfeil angezeigt, die Patchnummer von einem LED mit drei Stellen à acht Segmenten. Der VG-8 wird mit 64 frei programmierbaren (Werksseitig bereits mit Sounds gefüllt) und 64 Presets geliefert. Letztere sind in ROM eingebrannt und können dementsprechend nicht überschrieben oder in ihrer Reihenfolge umarrangiert werden. Man kann sie zwar als Matrizen benutzen und editieren, jedoch nicht im Preset Bereich abspeichern. Nur 64 Userplätze sind ein bißchen wenig für ein derart vielseitiges Gerät. Eine Speicherkarte (z.B. Roland M-512E) liefert 64 weitere Plätze, kostet aber auch extra. Alternativ kann man den Speicherinhalt komplett archivieren über...

MIDI

Die MIDI Implementation des VG-8 beschränkt sich auf Programchange und Bankselect. Eine Controller Implementation sucht man vergeblich. Das kein MIDI-Through möglich ist, berührt schon beinahe peinlich. Wenn schon kein MIDI-Through Port vorhanden ist, hätte wenigstens ein MIDI Out Umschalter drin sein müssen. Systemeinstellungen und Patches lassen sich komplett (wohlgemerkt aber nicht einzeln) per MIDI als Sysex Daten im Bulkdumpverfahren in einen Sequenzer abspeichern bzw. davon laden. Die Systemsoftware wird übrigens auch auf einer Backup Diskette mitgeliefert und ist per Sequenzer ladbar. Es bleibt zu hoffen, daß die für Jahresende 95 angekündigte 2.0 Version die in Sachen MIDI nötigen Verbesserungen bringt.

Sound

Wenn man auf einer Les Paul plötzlich nach dem Dreiwegschalter greift und da keiner ist, zeugt das in diesem Fall ausnahmsweise mal nicht von Trunkenheit am Steuer sondern von der Authentizität der Stratocastersimulation des VG-8. Simulieren hat im Deutschen oft eine etwas negative Konnotation. Im Englischen gibt es da noch das schöne Wort "Emulation", welches soviel besagt wie "den Kern einer Sache erfassen". In vieler Hinsicht gelingt dem VG-8 genau das. Patchnamen wie "Foxy Lady", "Bluesbreakers" oder "Rockin’ Rebel" verraten worum es VGM geht: die klassischen Gitarrensounds der letzten 50 Jahre. Vintage Sounds, Surfguitar und Rockabilly sind genauso gut getroffen wie Jeff Beck, Eric Clapton und Jimi Hendrix. Ich glaube mit "JimiLite" (einer von mehreren exzellenten Jimi Hendrix Sounds) könnte ich den ganzen Tag den Blues und dennoch meine wahre Freude daran haben. Auch Stevie Ray Vaughan wird auferweckt, obwohl man sich für ihn und alle Jazzfans noch eine 15" Speakersimulation wünschen könnte. Ganze Bands sind von einem markanten Gitarrensound geprägt worden. Der VG-8 wartet u.a. mit Sounds für die Fangemeinden der Ventures, Beatles ("I feel fine"), Alman Brothers, Carlos Santana bis hin zu AC/DC auf. Wer hingegen einfach nur mal ein anderes Instrument spielen will, wird von den authentischen Strat, Tele und Les Paul Simulationen begeistert sein. (Semi-) Akustische Gitarrensounds sind nur wenige vorhanden. ES 335 Sounds wie Lee Ritenours "Captain Finger" oder B.B.Kings "Lucille" sind brauchbar aber nicht phänomenal. Version 2.0 soll da Abhilfe schaffen. Als geradezu genial erweist sich das saubere polyphone Pitchshifting in Patches wie Rickenbacher (12 string), Delta (Blues in open D) oder Keith Richards fünfsaitige offene G Stimmung (ohne die tiefe E-Saite). Selbst Stimmungen bis in den Bassbereich mit Patches wie Stanley (Clarke) oder ein Motown Jazzbass können sich hören lassen. HRM Instrumente bieten einen bislang unerreichten Level an Ausdruck beim Spiel von "Synthesizer" Sounds. Die enthaltenen Patches klingen gut, obwohl das volle Potential von HRM mit ihnen noch nicht ausgeschöpft scheint - was eher für denn gegen den VG-8 spricht. Das HRM "Banjo" ist so gut, daß man es zur Grand Ole Opry in Nashville mitnehmen könnte - oder alternativ zu Kurt Weills Dreigroschenoper.

Kritik & Anregungen

Ein derart neuartiges und featurereiches Gerät wie das VG-8 läßt buchstäblich wenig Zeilenplatz für kritische Anmerkungen. Neben viel Lob für Innovation, Sound und allgemeinen Bedienungskomfort möchte ich jedoch auch folgende Beobachtungen festhalten: Im Dezimalsystem zu denken hat mir mehrere Jahre Schulausbildung abverlangt. Mit dem Roland Programm Anordnungsschema (4 Patches x 8 Banks x A/B/Preset/User Group = der Wurzel aus 16384 und bitte nicht vergessen 1 zu addieren bei Programmchange !) kann ich mich auch nach mehreren Jahren Gewöhnungszeit nicht anfreunden. Was auch dem VG-8 fehlt, ist beinahe ein Pfennigartikel: Eine einfache Zahlentastatur zur direkten Eingabe von Programmnummern. Ein Up/Down Programmdurchlauf über die S1/2 Tasten des GK2 hätte auch nicht geschadet. Und wer sein Gedächtnis noch für andere Dinge braucht, wird auch nicht umhin können, sich eine Patchliste auf die (zugegebenermaßen weitläufige) Oberfläche des VG-8 zu kleistern. (Wann kommen endlich Softlabels serienmäßig über die Fußschalter ?) Überhaupt, mußte das Gerät so groß ausfallen ? Schließlich kommt es im Leben doch auf die inneren Werte an, und die hat das VG-8 nun wirklich zu Genüge. So ist das Gehäuse für den Rack Einbau ein paar gestylte Zentimeter zu breit, ins Handgepäck paßt es nur mit Mühe. (Und es mit der Schmutzwäsche in den Koffer packen ?). An der MIDI Implementation stört, daß sie nur in Minimalausführung vorhanden ist. Etwas problematisch ist auch die auf dem MIDI Standard basierende Potirasterung. Die Ohren zweier (nicht hörgeschädigter) Gitarristen mögen Musik unterschiedlich aufnehmen, in einem sind sie sich jedoch fast immer gleich: großer Empfindlichkeit für Lautstärkeunterschiede. Dreht man den GK 2 Poti beim Spielen auf, kann man seine Rasterung in 127 Werte als leises, jedoch wahrnehmbares Klicken hören. Dieser Punkt geht an die Mannschaft aus Analogien - ein hinter das Gerät geschaltetes, analoges Volumenpedal bewährt sich auch in der digitalen Welt. Mit 127 Werten und einem Expressionpedal könnte man jedoch sehr viel anstellen - wenn der VG-8 eine Controller Implementation hätte (Konjunktiv 1) bzw. von den Ingenieuren zumindest eine interne Realtimecontrol von HRM Parametern über den Expressionpedalport zugelassen worden wäre (Konjunktiv 2). Man kann etwas tricksen, indem man im Editiermode den gewünschten Parameter per EV5 "freihändig" und "in Realtime" editiert. Dieses "Pedalassignment" läßt sich jedoch nicht speichern - schlecht für den Live Einsatz. Vom Hersteller werden keine Angaben über Auflösung und Bandbreite des Prozessors geliefert. In einigen wenigen HRM Patches schienen in höheren Lagen Obertöne leicht digital verzerrt zu werden - wenn man sehr genau hinhört. Bei der Menge der anfallenden Daten und der verlangten Bearbeitungsgeschwindigkeit muß man dem Prozessor gewisse Bandbreiten Zugeständnisse wohl nachsehen. Bei VGM Patches trat dieses Problem nicht auf. In puncto Effekte werden zwar die wichtigsten Bedürfnisse abgedeckt, allerdings klingen seine Hallsounds (insbesondere die "Hallen") zum Teil etwas metallisch. Längere Nachhallzeiten erfordern wohl doch den Anschluß eines separaten Prozessor. Apropos Anschlüsse: Wirklich wundern muß man sich, daß das Gerät über keinen Throughport für den GK 2 Pickup verfügt. Wer einen Gitarrensynthesizer sein eigen nennen darf, wird vom VG-8 vor die bittere Entscheidung gestellt: "Entweder ich oder Dein GR 1/09 etc. ...!" Man "werde dann wohl irgendwann eine separate Splitterbox anbieten" und hätte es "schlicht und einfach vergessen"... - hieß es auf der NAMM Show. In der Zwischenzeit kommt dann erst mal mit dem GI 10 ein neues Low-End MIDI-Interface für den GK 2 auf den Markt - auch nur mit einer Buchse. Abschließend könnte man sich gerade auch für den VG-8 wünschen, was bei multitimbralen Synthesizer fast schon Standard ist: 6 Einzelausgänge, für jede Saite einen. Gitarren sind nicht nur gut für Rock’n Roll, sondern bei aller Bescheidenheit auch "Polyphone Controller". Sequenzersoftware Hersteller (wie Opcode mit Studio Vision 3.0) arbeiten fieberhaft daran "Audio zu MIDI" und "MIDI zurück zu Audio" Konversionen zu einem zuverlässigen Feature zu machen. Sechs einzelne (z.B. an einen Harddiskrecorder oder ADAT angeschlossene Ausgänge) würden es erlauben, "fehlgegriffene" Akkorde Note für Note zu "reparieren", Fingersätze lagengetreu zu transkribieren (fast jeder Ton kommt auf der Gitarre mehrmals, jedoch immer nur einmal auf einer Saite vor) und einen ganz neuen Level an Editiermöglichkeiten erreichen.

Resümee

Hexaphonische Verzerrung (Ein Verzerrer pro Saite) ist an sich nicht neu. Eingeführt wurde sie schon vor gut 15 Jahren mit Rolands GR 303. Wie es heißt, arbeitet man auch schon fast so lange an dem VG-8. Das Resultat ist schon eine kleine und große Sensation zugleich. In einen einzigen Kasten zu packen wozu man früher einen Kleintransporter mieten mußte, ist die kleine Sensation. Daß man sich mit dem VG-8 vielleicht gar nicht erst mehr als eine einzige gute Gitarre anschaffen muß, ist die größere Sensation. Seine VGM Simulations Algorithmen erreichen einen Grad an Klanggetreue, wie er bisher zum Teil nur mit dem Originalequipment zu erzielen war. Die große Auswahl an exzellenten, authentischen Sounds, gekoppelt mit robustem, bühnentauglichem Design und intuitiver Bedienung, empfiehlt es dem Top 40 Musiker gleichermaßen wie dem "Freistil"-Profi und der Garagenband. (Heim-) Studiomusiker werden die Möglichkeit, mit professionellem Sound direkt ins Pult spielen zu können, schätzen. HRM wird "reinen" Gitarristen wie ein zusätzliches Geschenk vorkommen. Wer sich bereits mit Gitarrensynthesizern angefreundet hat, wird im VG-8 ein "Controller" System finden, das der Expressivität der Gitarre nur noch wenig nachsteht. Statt das Gerät als turbospeedpickende Wollmilchsau anzupreisen, sollte man lieber nochmal die Frage aufwerfen, ob es denn bei allem was es so leistet überhaupt noch Raum für eigene Kreativität lässt - was man eindeutig bejahen muß. HRM und Features wie z.B. Polyphonic Pitchshift bergen großes kreatives Potential. Dies und ein einfaches aber effektives, graphisches Interface dürften gerade auch den experimentierfreudigen Gitarristen erfreuen. Was dem VG-8 noch fehlt (Mehr akkustische Gitarrensounds, ein 15" Lautsprecher, bessere MIDI-Implementation, ein GK2 Thru-Port etc.) möge in kommenden Versionen behoben werden.

Plus
* Sound (-Vielfalt)
* Innovation
* Einfache, intuitive Bedienung

Minus
* kein Through Port für GK 2 Pickup
* bescheidene MIDI Implementation

Ü B E R S I C H T

Hersteller: Roland
Modell: VG-8
Systemsoftware: Version 1.01
Typ: Gitarrenprozessor auf COSM Basis mit VGM, HRM und Effektalgorithmen
Made In: Japan
Features:
Composite Object Sound Modeling
Variable Guitar Modeling
(Tonabnehmer-, Verstärker- und
Mikrofonabnahmesimulation)
Harmonic Restructure Modeling
(Filter, Hüllkurve u.a.)
Polyphones Pitchshifting (pro Saite),
Modulationseffekte, Delay, Hall
Verzerrer, Kompressor, Limiter,
3 Band EQ, Noise Gate, Stimmgerät.
Anschlüsse:
Aux In L(Mono)/R
Guitar Out
GK2(A) Pickupeingang
Mix Out L(Mono)/R
Kopfhörer (Stereo)
Fußschalter
Expression Pedal
Speicherkartenschlitz (PCMCIA Format)
MIDI: In/Out (nur Bank/Programchange)
Regler: Volume, Value (25 stufiger Endlosdrehschalter)
Schalter/Taster:
6 Fußschalter
(1-4, Bank/Group - Up/Down)
6 Function Tasten
(abhängig vom Fenster)
4 Patch Edit Tasten
(Common, Inst, Effect, EQ/Vol)
4 Cursor Tasten
(rechts/links/oben/unten)
Compare (mit Status LED), Copy, Write
Play, System, Page
Eingangspegel Aux Inputs:
- 10 dBm nominal
Eingangsimpedanz Aux Inputs:
8 kOhm
Ausgangspegel:
Mix Out (sym.) -10 dBm nominal
Mix Out (unsym.) -16 dBm nominal
Guitar Out -20dBm
Ausgangsimpedanz:
Mix Out (sym.) 600 kOhm
Mix Out (unsym.) 300 kOhm
Guitar Out 2 kOhm
Empfohlene Loadimpedanz:
Mix Out (sym.) 10 dBm
Mix Out (unsym.) 10 dBm
Guitar Out 10 dBm
Display:
LED: 3 Stellen mit je 8 Segmenten
LCD: 160 x 64 Bildpunkte (beleuchtet)
Frequenzgang/Dynamik etc.: k. A.
Maße: 504 x 293 x 76 mm
Gewicht: 4,7 kg
Stromversorgung: Netzkabel
Zubehör:
Im Preis enthalten:
Ein 5m langes GK2 Kabel (C-13 A).
Nicht enthalten aber erforderlich:
GK2(A) Pickup (ca. 325,- DM)
bzw. eine derart oder mit Piezo/MIDI - System ausgerüstete Gitarre
(Godin,Ovation, Aria PE-Mid-II oder Aria PE-MID-1, Fender Standard Strat mit eingebautem GK 2 o.ä.).
Optionen:
Expressionpedal wie
BOSS EV5 (ca.120,- DM) oder
FV 300L (ca. 190,- DM),
Fußschalter wie
BOSS DP-2 oder
FS-5U (beide um 50 - 60 DM)
Speicherkarte wie
M-512E (ca. 198,- DM)
Preis: ca. 4650,- DM
(Preise Stand 5/1995 !)

Christian Röver

® all rights reserved

(Gitarre & Bass 6/95)